Seit ein paar Tagen bin ich in Aserbaidschan. Ein Land, das ich anfangs gar nicht auf meiner Liste hatte. Doch Pläne sind dazu da, um geändert zu werden. Mit der Entscheidung war ich bisher auch ganz zufrieden.
20.09.2017
Qax – Sheki
38 km
Am Morgen fühlte ich mich etwas kränklich, aber gut genug, um weiterzugehen: Heute sollte eine lange Strecke bevorstehen. Hoffe ich nur, dass der Fuß mitmacht und ich deswegen nicht all zu lange brauche – geschweige denn „aufgeben“ muss.
Als ich gegen 8.15 Uhr los ging, war es noch ein wenig bewölkt. Es dauerte eine Weile bis ich aus dem Ort raus war. Es waren wenige Menschen auf der Straße – nur die, die auf den Bus warteten oder die Straßen fegten.
Aus dem Ort heraus lief ich über eine Brücke, die schon etwas angeschlagen war. Holzbalken schauten unter dem Asphalt hervor: „Na wenn das so sicher ist“ ging es mir durch den Kopf.
Der erste, kurze Abschnitt, führte mich über eine alte Straße an einem Hügel entlang. Deswegen nicht unbedingt ruhig, aber dennoch schön. Eben landstraßenmäßig. Doch schon bald sollte es wieder auf die „Endlos-Straße“ von gestern gehen – die im Übrigen auch heute zum Teil „endlos“ erschien.
Die ersten 11 km vergingen recht fix und ich suchte mir eine „Bank“ (ein kleiner Holzbalken auf zwei kleinen Holzstämmen) vor einem geschlossenen Mini Markt. Gerade als ich mir mein Brot aus dem Rucksack holte, kamen 2 Radfahrer vorbei. Erst fuhren sie vorbei, dann kamen sie zurück und wir unterhielten uns knapp eine Stunde.
Bruder und Schwester, aus Frankreich, er reist /radelt seit einem Jahr durch die Welt – sie besucht ihn nun für 2 Wochen.
Wir tauschten uns über Erfahrungen aus – u.a. bzgl wie Männer sich verhalten, sie fragten mich über meine Wanderung aus; es wurden Fotos gemacht; sie gaben mir noch Wasser und etwas Obst. Dann ging es weiter.
Noch knapp 20 km.
„Was habe ich mir nur bei der Planung gedacht?“
Nach der Pause ging es frisch gestärkt weiter. Doch schnell holte mich die Hitze ein. 3 Männer winkten mich zu einem Tee-Haus. Ich lehnte von der anderen Straßenseite dankend ab, kann ich ja nicht direkt schon wieder eine Pause machen. Nach einer Weile ging es durch ein weiteres Dorf. Gerade ist wohl die Schule zuende. Ich ging knapp 2 km mit einer Gruppe von Schulkindern, die immer wieder versuchten mich anzusprechen. Mehr als „Hello“ kam dann aber nicht. Reagierte ich, wurde nur verlegen gekichert.
Nach weiteren 10 km war dann auch mal wieder Zeit für eine Pause. Ich setzte mich auf einen kleinen Baumstamm, vor einem Haus. Nach ein paar Minuten kam eine ältere Frau raus – mit einem Teller Trauben. „Och wie süss“ – ob ich noch Tee möchte? Und prombt saß ich im Garten und ein kleiner Welpe knabberte die ganze Zeit an meinem Rucksack. Die Frau redete auf aserbaidschanisch auf mich ein, stellte Fragen … aber was soll ich sagen? Ich versteh ja kein Wort und sie verstehen mich nicht. Allerdings kommt in Azerbaijan meist immer die Frage nach Geld (zumindest wird das Handzeichen dafür gemacht). Vermutlich, ob man in Deutschland Geld hat?
Nach dem Tee machte ich mich wieder los – immerhin habe ich noch 15 km vor mir.
Der Weg erschien mit endlos. Es hielten immer mal wieder Autos an. Die Versuchung ist schon groß, wenn man kaputt ist und die Füße anfangen zu schmerzen. Aber nein: Ich bleibe stark und gehe weiter.
Einer der Autofahrer erwähnte auch extra, dass das mitnehmen „For free. No money.“ ist. Irgendwie niedlich, dass er es extra erwähnt.
Weitere 10 km. Mein Wasser neigt sich dem Ende zu. Jemand winkt mich jemand zu seinem Straßenstand. Der kommt wie gerufen: Trinken. Er verkauft Trauben und „Kompott“ (das ist hier in Azerbaijan selbstgemachter Fruchtsaft (Gemüse ist mir bisher noch nicht begegnet), indem ein paar Früchte noch in der Flasche sind und meist extrem gezuckert). Wir versuchen uns zu unterhalten. Er gibt mir zu verstehen, dass meine Tattoos toll sind. Er hat auch welche. Er findet mich süss. Das ist mein Stichwort, um die letzten 7 km anzugehen.
„Noch 7 km, wie soll ich das überleben.“ – es ist circa 17 Uhr. Aber erst mal pinkeln.
Den Vorort von Şəki kann ich schon seit 2 Stunden sehen. Immer ganz toll, wenn man läuft und das Ziel schon seit Stunden sehen kann.
Ein Auto mit 3 Jungs hält an, ich lehne dankend ab. Ein paar Meter weiter stehen sie am Straßenrand, mit „einer Panne“. Ich wechsel die Straßenseite und gehe so schnell wie möglich daran vorbei. Ich hoffte nur, dass sie mir nicht weiterhin folgen. Ich fühle mich nach solchen Momenten immer verfolgt, bis ich am Ziel ankomme.
Die letzten 5 km sind eine echte Herausforderung.
Alle paar Meter bleibe ich stehen.
Verfluche das letzte Stück.
Als ich auf eine Brücke zulaufe und Şəki sehe, machte sich Erleichterung breit.
Geschafft.
21.09.2017
Sheki
Zero Day
Nach so einem langen Tag gönne ich meinem Fuß etwas Ruhe. Zudem muss ich arbeiten.
Nach der langen Strecke habe ich den Pausentag gebraucht. Das erst Mal nach meiner Fußverletzung wieder so eine lange Strecke gelaufen. Meine Füße taten auch am nächsten Morgen noch weh.
Ansonsten war ich etwas in Sorge wegen meiner finanziellen Lage. (Unterstütze meine Arbeit gerne und erhalte hier weiterhin frei verfügbare Inhalte meiner Wanderungen)
Dann hat Sascha sich wieder gemeldet. Kein Respekt der Junge.
Ansonsten hab ich an meinem E-Book gearbeitet, einen Artikel über Istanbul fertig gemacht und etwas Social Media Arbeit gemacht.
22.09.2017
Sheki – Oğuz
ca 38 km
Wieder so eine lange Strecke geplant.
Was hab ich mir nur dabei gedacht?
Gut, ich hab die Strecke durch Azerbaijan der Fuß-Situation nicht angepasst (Ich hatte lange in Georgien pausiert, da ich meinen Fuß angebrochen hatte). Wäre ich nicht in Zwangspause gewesen, wäre das locker zu machen gewesen. Aber so muss ich sagen, ist es schon eine Herausforderung (aber mit denen wächst man ja, oder wie?): Die Wärme, hin & wieder der Fuß, die Straße, die Autos, … . Das macht einem zu schaffen, aber alles in allem läuft es sich wunderbar. Auf der einen Seite fühle ich mich total unfit, verfluche die Strecke von Zeit zu Zeit – auf der anderen Seite merke ich aber auch, wie der Körper wieder fitter und stärker wird. Auch mental.
Auf dem Weg selbst ist nicht so viel passiert. Es ist weiterhin warm. Die Menschen grüßen zum Teil nett. Es halten immer mal wieder Autos an. Oft wird aber aus den Autos heraus nur gepfiffen. Immer mal wieder aber auch nett gewunken.
Heute bin ich zum ersten Mal in kurzer Hose gelaufen. Hat an den Reaktionen unterwegs nicht wirklich etwas geändert. Bis zum Iran laufe ich also weiterhin wie bisher rum (kurze Hose) – wobei ich gelesen habe, dass man als Frau in Azerbaijan zumindest etwas anziehen sollte, das bis zu den Knien geht.
Am Abend bin ich in ein Hotel eingecheckt. Als ich Wasser in einem Mini Markt kaufen war, war neben dem Besitzer noch ein jüngerer Mann dort. Er muss wohl geschaut haben, wo ich reingegangen bin: Denn knapp ein halbe Stunde später (?) stand er unten an der Rezeption. Wir unterhielten uns via Google Translate. Es kam heraus, dass er mich zum Abendessen einladen wollte. Dies lehnte ich höflich ab.
Doch was ist mit Frühstück? „Ja, was ist mit Frühstück? Da hab ich keine Ausrede für“ ging es mir durch den Kopf.
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